Ein rot-rot-grün-Gespräch zum Thema „Rente“
Oft wird in Parteien und Regierungskoalitionen nach der Devise „Pragmatik statt Programmatik“ gehandelt. Was das heißt, erleben wir beispielsweise in der Großen Koalition. In unserer nun seit acht Jahren bestehenden rot-rot-grünen Runde haben wir von Anfang an versucht, neben den inhaltlichen Differenzen programmatische Übereinstimmungen zu diskutieren, die der Pragmatik standhalten. Wir haben uns auf den Weg gemacht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ehrlich und offen auszutauschen.
Seit Oktober haben wir unsere inhaltlichen Gespräche mit dem Thema „Rente“ fortgesetzt.
Ralf Kapschack verwies für die SPD auf die zentrale Bedeutung des Themas Rente. Die Gewerkschaften haben Rente zu einem Thema gemacht, denn es gibt Probleme. Die lebensstandardsichernde Rente ist ein zentrales Versprechen des Sozialstaates. Aber 60% der Menschen glauben nicht mehr an dieses Versprechen und das Niveau der gesetzlichen Rente sinkt tatsächlich. Somit wird aber Altersarmut zunehmen, was zu einer Legitimationskrise führt. Hier müsse etwas gemacht werden. Dazu muss man sich aber mit den Fragen beschäftigen, wie mit der demografischen Entwicklung umgegangen werden und wie die soziale Absicherung im Alter finanziert werden soll. Es muss auch um die Frage des Niveaus der Rentenversicherung gehen und die Frage wie die Zahl derjenigen, die für gesetzliche Alterssicherung einzahlen, erweitert werden kann. Er ist für eine Erwerbstätigenversicherung. Alle Erwerbstätigen, Selbständige, perspektivisch Beamte und Politiker müssen dort einzahlen. Genau das stärkt den Solidargedanken.
Matthias W. Birkwald für Die LINKE erwähnte zunächst, dass er seinem Vorredner in fast allen Punkten zustimmen kann. Der demografische Wandel ist Realität, existiere aber bereits seit der Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Gesetzliche Mindestlohn muss angehoben werden und ohne Ausnahmen gelten, da dies Auswirkungen auf die Rente. Die Lücken in Erwerbsbiografien müssen geschlossen werden, das Rentenniveau muss auf das lebensstandardsichernde Niveau von 53% angehoben werden. Bei Bezug von Arbeitslosengeld sei es wieder erforderlich, dass in die Rente eingezahlt wird. Wir sollten darüber reden, was wir gemeinsam haben: Mütterrente steuerfinanziert, Abschläge bei Erwerbsminderungsrente abschaffen, Zwangsverrentung abschaffen, Option freiwillige Zusatzbeiträge auf Rente zahlen zu können. Eine Erwerbstätigenversicherung will auch Die LINKE. Wenn die eingeführt sei, könne auch über eine Bürger*innenversicherung nachgedacht werden.
Markus Kurth für die Grünen betonte die Notwendigkeit, bei dem Thema Rente gesellschaftliche Hegemonie zu bekommen. Dazu müsse die Mehrheit der Beschäftigten mitgenommen werden. Es sei notwendig, die gesetzliche Rentenversicherung nicht als Armutssicherung zu thematisieren, sondern als Einkommensversicherung. Viele Einzahlende kommen aus unterschiedlichen Gründen derzeit eher in Richtung Grundsicherung im Alter. Bündnis 90/Die Grünen wollen eine Garantierente nach 30 Jahren, DIE LINKE eine solidarische Mindestrente und die SPD will ein solidarische Lebensleistungsrente. Es muss darum gehen, das Regelsystem der gesetzlichen Rentenversicherung zu stärken, deshalb ist die Niveau-Debatte wichtig. Er halte aber 53% für illusorisch. Es muss darum gehen, wie eine Gerechtigkeitsbotschaft gesendet werden kann. Die Bürgerversicherung könne das sein und als Etappenziel auch die Erwerbstätigenversicherung. Eine Diskussion über Beitragssätze jenseits der 26% sind aus seiner Sicht nicht gewinnbar. In dieser Runde sollte auch über Tabus geredet werden, wie Arbeiten im Alter und Kapitaldeckung. Dennoch gibt es in wenigen anderen Feldern so viel Gemeinsamkeit wie auf diesem.Nachdem die Gemeinsamkeiten herausgearbeitet und die Unterschiede angedeutet wurden, ging es in der zweiten Runde vor allem um die Unterschiede. Wir werden all diese Runden protokollieren und die Ergebnisse demnächst öffentlich zur Verfügung stellen.